Ein Bücherblog zu schreiben und darin Romane vorzustellen, das klingt unspektakulär – mehr nach Ohrensessel und Tee als nach den Abgründen des Internets. Doch heute bin ich auf einen Eintrag gestoßen, der eine andere Seite zeigt: Die Autorin des Blogs Nie ohne Buch wird von Independent-Autoren unter Druck gesetzt und beleidigt, wenn sie sich nicht so entgegenkommend verhält wie es mancher Autor erhoffte. Der Blogeintrag zitiert aus diversen Hassmails, und unter dem Eintrag findet man über 80 bestürzte und solidarische Kommentare. Ich war auch verblüfft, wie viel Gehässigkeit über die Bloggerin herein gebrochen ist, nur weil sie manches Buch nicht rezensieren wollte. (Update: Link gelöscht, da Blogartikel nicht mehr online ist.)
Eigentlich kenne ich mich in dieser Szene überhaupt nicht aus, weil ich praktisch keine Romane als E-Book lese und keine Webmaster und Blogger anmaile, um ihnen mein E-Book vorzustellen, es sei denn, ihre Website ist in meinem E-Book erwähnt. Doch da war doch noch was … Die Marketing-Tipps und Ratgeber, in denen Blogs eine Rolle spielen. „Wer rezensiert mein E-Book? Blog-Wegweiser für Indie-Autoren“ zum Beispiel. Treffer: Das Inhaltsverzeichnis verrät, dass die bedrängte Bloggerin auch gelistet ist. (Update: Dieses E-Book ist nicht mehr bei Amazon im Shop.)
Der Autor schreibt: In englischsprachigen Raum, besonders in den USA, erreichen Indie-Autoren immer wieder sensationelle Verkaufszahlen. Einige überspringen mit ihren E-Book-Verkäufen sogar die Millionen-Grenze. Doch wer verhilft ihnen zum Erfolg? – Der Titel sagt es bereits: Die Blogger sollen es richten.
Als Beleg dafür, dass das angeblich so funktioniert, wird Martina Gercke genannt, die Blogger angeschrieben hatte. Daraus scheinen nun etliche Leser zu schließen, dass das der sichere Weg zum Ruhm sein muss. Aus dieser Perspektive ist die Bloggerin, die ein Buch nicht rezensieren will, weil es sie halt nicht interessiert, eine böse Hexe, die dem Nachwuchs-Autor willkürlich den Weg in die Kindle-Charts versperrt. Wie gemein von der!
Offenbar haben etliche Leute Probleme zu erkennen, dass nicht alles, was eine erfolgreiche Autorin irgendwann im Zusammenhang mit dem E-Book getan hat, tatsächlich die Ursache ihres Erfolgs sein muss. Nur weil Martina Gercke unter anderem Blogs anmailte, ist das noch kein Königsweg in die Top 10. Nur weil Matthias Matting twittert und auf Facebook ist, kommt man per Twitter und Facebook noch lange nicht zwingend in die Top 20 oder wohin auch immer. Dieses Missverständnis nährt sich vielleicht auch ein wenig vom Titel Wie man erfolgreich E-Books verkauft (Amazon-Affiliatelink auf 8. Auflage aktualisiert): Darin interviewt Wilhelm Ruprecht Frieling überwiegend Roman-Autoren, die mit ihrem E-Book einen Nerv getroffen haben und sich das nachträglich irgendwie erklären, etwa damit, dass sie ein Blog haben oder auf Twitter und Facebook sind. Für Social Media und das eigene Blog ist man wenigstens selbst verantwortlich. Schwieriger wird es, wenn man andere Menschen instrumentalisieren muss und Lesern suggeriert, dass das ein allgemeingültiges Erfolgsrezept ist.
Ich vermute, dass mancher Ratgeber Hoffnungen weckt, die naturgemäß nur für wenige in Erfüllung gehen können – in den Top Ten stehen eben nur zehn Titel zugleich, egal was Blogger darüber schreiben oder auch nicht. Das könnte sich eigentlich jeder selbst denken. Aber vielleicht machen Gier und Eitelkeit naiv und am Ende auch gehässig.
Nachtrag (30.10.): Lesenswertes zum Thema auch im Blog Lake Hermanstadt.
Bearbeitungsstand: 8. Oktober 2024