Gestern wurden die Gewinner des Indie-Autor-Preises der Leipziger Buchmesse bekannt gegeben. Bewertet wurden nicht nur Inhalt und Covergestaltung, sondern auch die Strategien in Marketing und Vertrieb. Im Bewerbungsformular wurde sogar nach Zahlen gefragt, die den Erfolg der Maßnahmen belegen, die Antworten der Bewerber können auf der Website gelesen werden.
Entsprechend verblüfft waren gestern einige Autoren, als der erste Preis in der Kategorie Sachbuch an einen Titel ging, der in Amazons Kindle-Shop zu diesem Zeitpunkt einen Verkaufsrang um die 170.000 hatte – das entspricht etwa einem Verkauf im Monat. Und bei der Taschenbuchausgabe sah es auch nicht besser aus.
Das Buch einer Marathonläuferin wird noch in einigen anderen Buchshops angeboten, welche aber generell keine Verkaufsränge anzeigen. Außerdem können Bücher, die bei Book on Demand erschienen sind, mit etwas Hartnäckigkeit auch in so manchem Buchladen bestellt werden. Aber was bei Amazon nicht läuft, ist in anderen Shops wohl auch nicht der Knaller. Wie viele Bücher im Direktvertrieb abgesetzt wurden, hatte die Gewinnerin in ihrer Bewerbung nicht verraten.
Die Autorin, die hauptberuflich in der Werbung tätig ist, hatte vieles scheinbar richtig gemacht: Auf Marathonläufen und -messen mit professionellem Werbematerial und Büchertischen präsent gewesen, vor Läufen die lokalen Radiosender und Stadtmagazine kontaktiert, den Chefredakteur einer Läufer-Zeitschrift für das Vorwort ins Boot geholt. Vielleicht hat die Leipziger Jury vor allem anerkannt, dass eine Selbstverlegerin den etablierten Rezepten der Buchbranche die Ehre erwiesen hatte, und sich gar nicht gefragt, ob das im Selbstverlag und im vorwiegenden Online-Vertrieb überhaupt sinnvoll ist?
Online-Präsenz schlägt sich leichter in Verkäufen nieder. Wenn die Verkäufe meines Schilddrüsen-Ratgebers in die Höhe klettern, ist es oft so, dass ich kürzlich in einem relevanten Forum als Autorin zum Thema genannt wurde. Das macht sich sogar bemerkbar, obwohl nicht mal ein Link gesetzt wurde: Wenn man sowieso am Computer sitzt und Informationen zum Thema sucht, ist es ja keine große Sache, die Amazon-Seite aufzurufen. Aber beim Zeitung lesen, wenn der Computer ausgeschaltet ist? Dafür müsste es schon sehr wichtig oder dringend sein, und das sind Laufgeschichten nicht.
Auch Martin Bühler brachte es wenig, als die „Bild der Frau“ seinem bei Amazon populären Titel „Der Samenspender“ eine doppelseitige Geschichte widmete. Dabei hatte das Blatt die Website und die Bezugsadresse genannt und das Cover abgedruckt. Erfolgreicher war sein Interview im Radiosender SWR3, das ihm rund 50 zusätzliche Verkäufe einbrachte. Vermutlich lag es neben dem außergewöhnlichen Thema auch daran, dass der Sender große Reichweite hat und immer ein Teil der Radiohörer parallel online ist.
Reine Offline-Werbung ist jenseits der Sensationen vor allem sinnvoll, wenn es eine unmittelbare Kaufgelegenheit gibt. Das muss aber nicht zwingend ein Büchertisch sein: Wer eine mobilfähige Website hat oder Smartphone-User per QR-Code direkt auf eine mobile Seite lotst, auf der sie das Buch bestellen können, könnte auch via Printmaterial online verkaufen. Mehr zum Thema mobiles Marketing ein andermal.
Bearbeitungsstand: 9. Oktober 2024 – tote Links entfernt